Nazis, Pudding, Geltungssucht – die Personen hinter den Neubrandenburger Corona-Demos

Nachdem es im vergangenen Sommer signifikant ruhiger bei den montäglichen „Spaziergängen“, Autokorsos und sonstigen Querdenker*innen-Events wurde, sanken auch öffentliches Interesse und Auseinandersetzung mit den Strukturen und Personen hinter den Demonstrationen, die sich angeblich gegen die Corona-Maßnahmen und diesbezüglichen Einschränkungen richten. Aufgrund der geringen Teilnehmer*innenzahlen bei den „Spaziergängen“ (10 bis 30 Leute) und der kaum vorhandenen Relevanz und Außenwirkung des dahinter stehenden Netzwerks wurden auch hier die notwendige Aufarbeitung und Chronologie nicht fortgeführt. Ein Fehler, wie die Entwicklungen der Proteste seit dem Herbst des vergangenen Jahres zeigen. Nahezu unbeachtet verfestigte sich landesweit die Zusammenarbeit der verschiedenen Akteur*innen, die ihre Präsenz in den sozialen Medien ausbauten und ihr Mobilisierungspotenzial steigerten. In ganz Deutschland (und besonders im Osten) schnellten zum Jahresende die Teilnehmer*innenzahlen in die Höhe, die Proteste radikalisierten sich und die rechten Strippenzieher*innen hinter den Aufmärschen konnten Einfluss und Deutungshoheit in der Protestszene enorm ausbauen. Bundesweit sind Parallelen hinsichtlich der Steuerung der Proteste durch rechte Gruppen und Akteur*innen erkennbar. Wie kürzlich durch verschiedene Medien (z. B. Der Spiegel vom 15.01.2021) berichtet wurde, waren diese ultrarechten Kräfte bereits lange vor der Pandemie aktiv und vernetzt. Dies ist auch für Neubrandenburg und die hier stattfindenden Coronademos zutreffend. Es soll an dieser Stelle aufgezeigt werden, dass die kritisierten Coronamaßnahmen nicht die einzige Motivation der Protestorganisation und die sogenannten besorgten Bürger*innen, Impfgegner*innen oder Lichterkettenträger*innen nicht die zentralen Akteur*innen sind. Eine diesbezügliche Recherche, die diese Verstrickungen klar aufzeigt und die Coronaszene somit entlarvt ist bisher nicht erfolgt und z.B. von der Lokalzeitung NORDKURIER, die in der Vergangenheit die „Maßnahmenkritiker“ wiederkehrend hofierte und verharmloste, auch nicht zu erwarten. Auch eine Auseinandersetzung der Ordnungsbehörden oder der Polizei mit den Hintergründen der Mobilisierungen zeichnet sich nicht ab.
Im Gegenteil: zeigen doch Lokalpolitiker*innen wie z. B. der Oberbürgermeister Silvio WITT Verständnis und nehmen öffentlichkeitswirksam Gesprächsangebote der Organisator*innen und somit rechter Hintermänner und -frauen an. Ihre Hintergründe und Zusammenhänge dürfen zur Einordnung und Bewertung dieser Protestler*innen und ihrer eigentlichen Intentionen jedoch nicht außer Acht bleiben.

Die Netzwerke und Akteur*innen der Anti-Corona-Demos in Neubrandenburg

Martin SKROCH und die „Identitäre Bewegung“

Wie hier bereits im Mai 2021 [LINK] angerissen wurde, nahmen bei der Organisation und Vernetzung der Coronademos von Beginn an die Patrioten in Neubrandenburg eine zentrale Rolle ein; eine Chatgruppe im Messenger Telegram, die bereits im September 2019 erstellt wurde, also zu einer Zeit, in der an eine weltweite Pandemie noch längst nicht zu denken war. Die vom Neubrandenburger Martin SKROCH (Webentwickler bei der NordkurierMedia GmbH & Co) verwaltete Gruppe ist mittlerweile nicht mehr bei Telegram erreichbar, offensichtlich, weil sich die Energie der Mitglieder vollends auf die Coronaproteste verlegt hat und es dafür mit den Autokorso Neubrandenburg -Gruppen andere Kanäle mit mehr Reichweite gibt.

SKROCH (Schiebermütze) am Transparent beim Trauermarsch 2013 in Demmin

Der 1985 geborene SKROCH blickt auf eine lange Neonazi-Karriere zurück. Mindestens seit dem Jahr 2010, als er am geschichtsrevisionistischen Aufmarsch in Dresden teilnahm, ist er auch fest in die regionale Neonazi-Szene integriert. Mehrfach nahm er am Neonazi-Aufmarsch am 8.Mai in Demmin und anderen Demonstrationen der hiesigen Szene Teil.

Martin Skroch(rechts) beim Tollensemarsch 2012: Das seit 2004 stattfindende Event wird von dem Multifunktionär David Petereit organisiert, der als Herausgeber des Weißen Wolfs 2002 dem NSU dankte.

Als „Liedermacher Ra-gin“ versuchte er sich Strukturen wie dem klandestinen Hammerskin-Netzwerk anzubiedern. [LINK]
Der Freundeskreis des Neetzkaers traf sich häufig in der Friedländer Szenekneipe Endstation, die jahrelang als Vernetzungsort der örtlichen Neonaziszene diente.

Hier feierte SKROCH mit illustren Gästen wie dem verurteilten NPD-Schläger Hannes WELCHAR, dem ehemaligen Friedländer NPD-Stadtverteter und MUPINFO-Kameramann Mathias GRAGE, dem NPD-Ordnerdienst-Mitglied Stefan KUNZ aus Holzendorf oder den Mitgliedern der Band „Tätervolk“, Sebastian SCHMIDT und Marcel HERSE.

Im Mai 2011 war SKROCH einer der Gäste bei der 15-jährigen Jubiläumsfeier des sogenannten Kameradschaftsbunds Anklam in Salchow, an der auch der verurteilte NSU-Unterstützer André EMINGER und dessen Bruder Maik teilnahmen.

In jüngerer Vergangenheit zeichnete SKROCH für den regionalen Ableger der Identitären Bewegung (IB) verantwortlich. 2018 war er mit anderen IB-Aktivist*innen an der Störung einer Veranstaltung des Zentrums für Politische Schönheit an der Uni Rostock beteiligt und zeigte sich seitdem häufiger mit anderen IB-Faschist*innen in Sozialen Netzwerken. [LINK]

Skroch im Kreise identitärer Führungskader Daniel FUNKE aus Ribnitz (1.v.l.), David RATAJCZAK (Niedersachsen, mittig), Heinrich MAHLING (Hessen, 2v.r.) und Philipp LEMM (Greifswald, rechts) von der Greifswalder Burschenschaft Rugia und Gründungsmitglied der Jungen Alternative Mecklenburg Vorpommern.

 

Für die IB war er dann auch auf einer IB Zonentour im Rahmen der sogenannten Sommertour am 03.10.2020 mit einem Infotisch in verschiedenen Städten in Mecklenburg-Vorpommern unterwegs. Eine Aktion, mal wieder kaum mehr als ein Publicity-Stunt – er und seine Begleiter versuchten dabei erfolglos ihre Ideologie unter „das Volk“ zu bringen, wie es einem Artikel von der Recherchegruppe AST zu entnehmen ist [LINK]. Auf den Fotos im Artikel ist der Neubrandenburger Martin SKROCH (im karierten Hemd) zu sehen, wie er den Stand betreut.

Seit 2019 managte SKROCH basierend auf einer europaweiten IB-Strategie die örtliche Telegram-Gruppe Patrioten Neubrandenburg. [LINK]
Aus den dortigen Aktivitäten entwickelte sich nach einem regelmäßigen Austausch zu völkischen und verschwörungsmythischen Inhalten letztlich die Organisation der ersten unangemeldeten Neubrandenburger Demos gegen die Corona-Regelungen.
SKROCH nahm in der Folge regelmäßig – auch als Ordner – an den Demos teil, blieb jedoch mit seiner tragenden Rolle als Organisator eher im Hintergrund. Er war auf den Aufmärschen in Begleitung einschlägig bekannter Nazis zu sehen, so z.B. am 13.12.2021 an der Seite des Nemerower Neonazis Steve NEITZEL, ehemals Mitglied der verbotenen Organisationen Mecklenburgische Aktionsfront (MAF) und Heimattreue Deutsche Jugend (HDJ).

(*1982, HDJ, Kulturkreis Mecklenburg Strelitz von David PETEREIT, seit Beginn bei Corona-Demos in Neubrandenburg, teilweise mit alten Kameradschaftskontakten) Hier ist Steve NEITZEL bei der ersten landesweiten Demo der Jugendorganisation der NPD – Junge Nationalisten.

 

Juliane PIDDE

Eine weitere relevante Person der Neubrandenburger Corona-Demos ist die 38-jährige Juliane PIDDE. In einem offenen Brief an die Ministerpräsidentin SCHWESIG vom Januar 2022 tritt PIDDE, die online bislang unter verschiedenen Pseudonymen agierte, erstmals mit Klarnamen als Anmelderin der „Spaziergänge“ in Neubrandenburg in Erscheinung.

Screenshots des offenen Briefes der Anmelder*innen diverser Corona-Demos in MV an Manuela SCHWESIG

 

Auch sie war von Beginn an in der Neubrandenburger Telegram-Gruppe Patrioten in Neubrandenburg aktiv. Nach eigenen Aussagen in Videos auf ihrem Youtube-Kanal Nebuca MV, auf dem sie schon vor der Corona-Krise fürchterlich verquere Inhalte verbreitete, ist sie bei einem Neubrandenburger Bildungsträger beschäftigt und führt Integrations- und Sprachkurse für Geflüchtete durch. Bevor sie sich mit ihren Video-Inhalten vollends auf das Thema Corona einschoss, veröffentlichte sie auf ihrem Kanal eine mehrteilige Videoserie mit dem Titel „Die Wahrheit über Integrationskurse“, in welcher sie rassistische Stereotype über geflüchtete Menschen verbreitete und dafür bereits in der Telegramgruppe Patrioten in Neubrandenburg Beifall bekam. Seit einiger Zeit ist diese Videoreihe nicht mehr abrufbar.

Juliane PIDDE beim „Spaziergang“, wie sie gerade eines ihrer Youtube Videos dreht.

 

Wie in unserem Blog schon im Beitrag „Ein Jahr Corona-Demos in Neubrandenburg – Die Anfänge“ berichtet wurde, demonstrierte die gebürtige Greifswalderin Juliane PIDDE, im März 2020 in Berlin vor der griechischen Botschaft, um für Sympathie und Support für die damaligen illegalen Pushbacks und Angriffe auf humanitäre Hilfsorganisationen zu werben. Unsolidarisch zeigte sich PIDDE auch auf ihrer Arbeit. Bei Telegram feierte sich die Revolutionärin dafür, dass sie bei einem Corona-Fall in ihren Integrationskursen den vom Gesundheitsamt geforderten Test heroisch verweigerte.

Screenshot von Telegram-Kanal

 

Die bekennende AfD-Wählerin Juliane PIDDE nimmt laut eigenen Aussagen auch weiterhin regelmäßig an Aktionen der Identitären Bewegung (IB) teil, ist mit deren Gründer Martin SELLNER bekannt und in IB-Netzwerken organisiert und eingebunden. Ihre Überzeugungen, ihr offener Rassismus und Kontakte in die extreme Rechte sind unvereinbar mit ihrem Job als Deutschlehrerin für Geflüchtete und symptomatisch für das Organisationsteam der Corona-Demos in Neubrandenburg.

Juliane PIDDE brüstet sich bei Telegram mit ihren Kontakten zur IB

 

Und offenbar sucht PIDDE auch in anderen Lebensbereichen Gleichgesinnte, um ihr verqueres und rechtes Weltbild bestätigt zu bekommen und zu manifestieren. So besucht die bekennende Christin regelmäßig die Nischenkirche Wort des Lebens Neubrandenburg – eine evangelische Freikirche besonderer Art, welche in einer Baracke auf dem RWN-Gelände im Süden Neubrandenburges untergekommen ist. Der Pastor der Gemeinde, Sven NEUBAUER ist regelmäßiger Gast der „Spaziergänge“ in Neubrandenburg und Mitglied der Telegram Chatgruppe Autokorso Neubrandenburg Austausch. NEUBAUER engagiert sich in einer obskuren Gruppierung, die sich Christen im Widerstand nennt. Auf deren Internetseite https://christen-im-widerstand.de/ findet sich eine Melange aus Verschwörungsglauben und Anti-Corona-Propaganda, die schwer glauben lässt, dass es sich hierbei wirklich um eine evangelische Glaubensgemeinschaft und nicht um eine Verschwörungssekte handelt.

 

Thomas DEHMELT

Neben Juliane PIDDE trat auch Thomas DEHMELT aus Alt Plestin bei Jarmen als Anmelder der montäglichen „Spaziergänge“ in Neubrandenburg auf. Der selbsternannte Querdenker ist Betreiber des Telegram-Kanals Autokorso Neubrandenburg Austauschgruppe mit über 500 Mitgliedern und meldete im Frühjahr 2021 einige Male Autokorsos in Neubrandenburg an. So geriet er in den öffentlichen Fokus und mit dem Gesetz in Konflikt, als er am 30.01.2021 auf dem Weg zur Demonstration die Landkreisgrenze übertrat und damit gegen geltende Corona-Regelungen verstieß. Die Polizei verwies ihn des Landkreises und leitete ein Verfahren ein.
Abseits der Veranstaltungen suchte er die Auseinandersetzung auch bei einer Fragerunde des Kreistages Mecklenburgische Seenplatte. Dort stellte er eine Reihe verschwörungsmythischer Fragen, die er zuvor in seinem Telegram-Kanal gesammelt hatte an den Kreistag und dessen Abgeordnete. Die Fragen waren derart wirr und unverständlich formuliert, dass ihm schließlich vom Kreistagspräsidenten das Wort entzogen werden musste.
Thomas DEHMELT wird nicht müde, bei allen möglichen Gelegenheiten die „Bürgerlichkeit“, und „Gewaltfreiheit“ der Demonstrationen hervorzuheben und „Diskursbereitschaft“ zu betonen. Auch stellt er sich immer wieder öffentlich als Mitglied der Partei DIE LINKE dar, um den Anschein seiner Bürgerlichkeit zu untermauern. Doch tatsächlich besteht keine Mitgliedschaft. Ein eindrucksvolles Bild seines Demokratieverständnisses zeigt er in den Verläufen der von ihm verantworteten Chat-Gruppen. Hier postet er unter anderem Anleitungen, wie Corona-Tests und Quarantäneanordnungen vermieden werden können und ruft dazu auf, die Kontaktnachvollziehungen des Gesundheitsamtes zu umgehen.

Thomas DEHMELT teilt seine Ideen zur Umgehung der Corona-Maßnahmen – der flapsige Tonfall sollte nicht über die Gefährlichkeit des von ihm propagierten Verhaltens hinwegtäuschen

Auch löscht Dehmelt fleißig alles, was nicht in die Ideologie der Impfgegner*innen-Echokammer passt. Rechte Inhalte hingegen, antisemitische Memes, menschenfeindliche Posts und Neonazipropaganda bleiben unzensiert. Personen, die mehrfach aus seiner Sicht „Unpassendes“ schreiben, werden aus den Gruppen entfernt und zudem mit einem „Hausbesuch“ bedroht. So z.B. geschehen in seiner Propagandagruppe Freiheitsboten_Neubrandenburg.

Der friedensbewegte Thomas DEHMELT droht einem Weggefährten mit einem „Hausbesuch“

Maik OHLENFORST

In den genannten Telegram-Kanälen und Gruppen mischen weitere Administrator*innen und Netzwerker*innen mit, die bereits längerer in rechten Zusammenhängen wirken, als Corona an der Tagesordnung ist. Einer von ihnen ist Maik OHLENFORST, der sich 2019 erfolglos für die AfD in Neubrandenburg zur Kommunalwahl aufstellen ließ. Bereits zuvor war er als Sachkundiger Einwohner für die AfD im kommunalen Ausschuss für Generationen, Bildung und Sport tätig, wurde 2020 dann aber von der Fraktion aufgrund interner Querelen aus diesem entlassen. An öffentlichen Events der Partei wie dem Ersten Mai 2021 oder AfD-nahen Veranstaltungen wie Fridays gegen Altersarmut nimmt OHLENFORST weiter teil oder gestaltet diese aktiv mit. Er war Mitglied des ultrarechten Flügels der Partei und fuhr auch zum 1. Flügelfest MV am 23.11.2019 auf Rügen, bei dem der Faschist HÖCKE als Redner auftrat und Mitglieder der Gruppe Nordkreuz anwesend waren. So wie auch der AfD-Bundestagsabgeordnete aus der Region und Mitglied der extrem rechten Greifswalder Burschenschaft Rugia, Enrico KOMNING.
Ganz in der Tradition rechter Rattenfänger*innen benutzt OHLENFORST emotionalisierende Themen wie Kindesmisshandlung oder Altersarmut, um rechte Ideologie unter dem Deckmantel der Humanität zu verbreiten. Als Vorstand eines „Kinderschutzvereins“, der außer ihm noch aus einer kläglichen Handvoll anderer AfD-Sympathisant*innen besteht, meldet er immer wieder Kundgebungen vor dem Neubrandenburger Amtsgericht an, zuletzt während der Verhandlung zum Mord an einer 6-Jährigen. Seit Jahren versuchen Rechte mit dem emotionalen Thema Kindesmisshandlung und dem Ruf nach härteren Strafen für die Täter*innen in der Bevölkerung zu punkten. Tatsächlicher Opferschutz oder Präventionsmaßnahmen bleiben bei den Forderungen der Rechten meist aus und es werden schlicht höhere Strafen gefordert, die solche Fälle nachweislich weder verhindern noch den Opfern weiterhelfen.
OHLENFORST, Geschäftsführer eines An&Verkaufs im Neubrandenburger Reitbahnviertel, ist mit dem bekannten Neonazi und ehemaligen AfD-Funktionär Andreas KALBITZ befreundet und traf diesen unter anderem im April 2021 auf einer Coronademo in Berlin.

Vertrautes Gebaren zwischen dem geschassten Neubrandenburger AfDler OHLENFORST und dem ehemaligen AfD-Landesvorsitzenden und ehemaligen HDJ-Aktivist Andreas KALBITZ.

Als ein Video ihrer gemeinsamen Teilnahme schließlich die Neubrandenburger Telegramgruppe erreichte, kommentierte er: „Andreas ist ein sehr guter Freund 😉 wir schätzen uns sehr und das ist nicht verboten und lasse ich mir auch von niemand vorschreiben ;)“ (sic!)
Zusammen mit Enrico KOMNING organisierte er am 29.08.2020 einen Bus für die Fahrt zur bundesweit beworbenen Coronademo in Berlin. An diesem Tag wurden durch einen unkontrollierbaren Mob die Absperrungen zum Reichstag durchbrochen und es entstanden die bekannten Aufnahmen auf der Treppe des Reichstages, welche über die Grenzen Deutschlands hinaus Aufsehen erregten. OHLENFORST muss als umtriebiger, rechter Aktivist und Netzwerker über die Szenegrenze hinweg bewertet werden.

OHLENFORST organisiert und KOMMNING bezahlt

Apropos AfD.

Wie in anderen Städten und Regionen spielt die rechte Partei auch bei den Corona-Demos in Neubrandenburg eine wichtige Rolle oder versucht zumindest, das Geschehen parteipolitisch zu instrumentalisieren. Die Motivation dafür ist recht offensichtlich – es gilt, eigene thematische Leerstellen zu füllen und sich nach der „Migrationsdebatte“ weiter als Protestpartei zu stilisieren.
Wie in der Dokumentation der Aufmärsche aber auch auf der Facebook-Seite der AfD-Fraktion Neubrandenburg ersichtlich, nehmen Mitglieder der Partei von Beginn an, an diesen Protesten teil und wirken an deren Durchführung mit. Bereits zu Beginn der Proteste verkündete Enrico KOMNING vollmundig, er würde auch eine diesbezügliche Veranstaltung für die AfD anmelden und ausrichten. Die einzige reine AfD-Demonstration zum Thema Corona (neben kleineren Gesprächsrunden im HKB) fand im Mai 2020 statt. Die Partei wartete hier neben der Landesspitze (Leif-Erik HOLM, Hagen BRAUER) auch mit dem damaligen Bundessprecher Tino CHRUPALLA auf. Danach ließ man das Thema Corona auf regionaler Ebene schnell wieder fallen.
Dieses Handeln und die fehlende klare Wahrnehmbarkeit der Partei bei einer Vielzahl der landesweiten Demonstrationen können durchaus als Strategie der extrem rechten Partei bewertet werden. Ihre Unterstützung der Demonstrationen – monetär wie logistisch – erfolgt seither eher inoffiziell und über Dritte.
In Neubrandenburg gelang es der AfD also scheinbar nicht, die Montagsdemonstrationen politisch nachhaltig für sich zu nutzen. Insgesamt ist es eher die Linie der MV-weit untereinander vernetzten Corona-Demonstrationen, sich von der AfD abzugrenzen, um heterogene Bevölkerungsgruppen ansprechen zu können und sich das Image einer überparteilichen „Volksbewegung“ zu geben. Die meisten der regionalen AfD-Mitglieder und Mandatsträger*innen nehmen jedoch weiter regelmäßig an den Events in NB teil; so etwa Peter FINK, Robert SCHNELL, Ulrike SCHIELKE-ZIESING, Mandy ARNDT, Andreas RÖSLER, Jörg KRACHT aber auch Mitläufer und in Ungnade gefallene Partei-Kuriositäten wie Kurt KADOW (Tierschutzverein Neubrandenburg), Maik OHLENFORST oder „Schamane“ Christian ROGGE.

Willi LEHMANN

Nächster Protagonist im Organisationsteam der montäglichen Kollektivpsychose ist Willi LEHMANN, der sich selbst großspurig als Anmelder und Organisator „des Ganzen“ bezeichnet. Sein übersteigertes Geltungs- und Mitteilungsbedürfnis wird unter anderem durch (mindestens) vier skurrile Internet-Seiten und zwei Youtube-Kanäle offenkundig. Auf sämtlichen Seiten verliert er sich bereits seit Jahren in den wildesten Verschwörungserzählungen (über Illuminati sowie andere Geheimgesellschaften und die 9/11-Verschwörung bis hin zu geheimen Mikrochip-Implantaten und anderem Mumpitz) gepaart mit „gutbürgerlichen“ Koch- und Backrezepten wie z.B. Schokopudding aus der Tüte – ja, richtig gelesen.

Atilla HILDMANN scheint nicht der einzige Verschwörungskoch zu sein.

Bei den von LEHMANN verbreiteten Verschwörungserzählungen mit Coronabezug, wird die ganze Palette bedient: von der simplen Leugnung der Existenz des Virus, über das bereits erwähnte Implantieren von Mikrochips bei den Impfungen und natürlich den vermeintlich dahinter steckenden Strippenzieher*innen Bill Gates und anderen – Unwissenden verborgenen – Eliten, die einen finsteren Plan für die Menschheit parat halten. Antisemitische Denkmuster in Reinform. Diese Wahnvorstellungen verbreitet LEHMANN auch auf den mitunter durch ihn angemeldeten Demonstrationen, vor teils mehr als tausend Menschen. Aberwitzig, dass er dort im gleichen Atemzug verlangt, die Demonstrationsteilnehmer*innen nicht als Verschwörungstheoretiker zu diskreditieren.
Doch LEHMANN ist augenscheinlich mehr als ein merkwürdiger Wirrer. Er umgibt sich am Rande der Aufmärsche immer wieder mit dem IB-Neonazi Martin SKROCH und anderen einschlägig bekannten Rechten. Als sich im Januar erstmalig Protest organisierte, um eine Gegenveranstaltung in zeitlicher Nähe zu der Verschwörungsparade zu veranstalten, ging LEHMANN auf die Anmelder*innen zu, verwickelte sie in ein Gespräch und versuchte zu provozieren – indem er sich als Anmelder der Coronaleugner*innenveranstaltung zu erkennen gab und die Gegenveranstaltung aufforderte, sich von „der Antifa“ zu distanzieren, da diese seine Veranstaltung bedrohen würde. Im Anschluss beobachteten SKROCH und Willi LEHMANN genau wie die Neubrandenburger Neonazis Siegbert und David PISKORSKI die Gegenveranstaltung aus sicherer Entfernung. Angesichts dieser exquisiten Gesellschaft ist es von LEHMANN ziemlich dreist, sich als Opfer von Diffamierungen zu stilisieren – hier steht jemand ganz zurecht in der rechten Ecke.

Christian ROGGE

In Sachen Verschwörungsglauben und esoterischem Schwurbelwahn ist LEHMANN in der Neubrandenburger Protestszene jedoch weder allein noch die skurrilste Figur. Einer der ersten, die in sozialen Medien zu Aufzügen gegen die Corona-Maßnahmen aufriefen, ist der selbsternannte „Heiler“ Christian ROGGE. Neben weiteren Kanälen vernetzt ROGGE sich von Beginn an auch bei den Patrioten in Neubrandenburg. Auch er fühlt sich der AfD verbunden, unterstützt die Partei mindestens seit dem Landtagswahlkampf 2016 und war bei der Gründung der Partei-Jugendorganisation Junge Alternative MV und regelmäßig bei lokalen AfD-Stammtischen und -Versammlungen zugegen.

Christian ROGGE (2.v.l.) bei der Gründung der Jungen Alternativen M-V

Der Verschwörungsideologe, der die Existenz und den politischen Einfluss von Echsenmenschen propagiert, arbeitet selbstständig als Masseur. Seine extrem durchgeknallten Verschwörungsinhalte mit und ohne Coronabezug (5G, Weltherrschaft, Echsen, Wahlmanipulationen, Ökodiktaturen etc.) verbreitet er unter anderem auf dem Youtubekanal eines Freundes „Sironjas TV“ unter Pseudonymen wie „NAMA LAMOOS“.

Erschreckend, wie viele Klicks die Verschwörungsvideos zu Echsenmenschen von „Sironjas“ (links) und Christian ROGGE (rechts) generieren.

Robert FEUKER

Die teils hohen Teilnehmerzahlen der Spaziergänge und Demos resultieren vor allem aus der Zeit, Mobilität und Vernetzung der Organisator*innen wie auch der Teilnehmer*innen. Nur ein Teil der Demonstrierenden kommt tatsächlich aus dem jeweiligen Aufmarschort. So besuchen Neubrandenburger Protestler*innen weitere Aufmärsche in Mecklenburg-Vorpommern, beispielsweise in Wolgast, Greifswald oder Stralsund und erhalten ebenfalls Support aus anderen Städten. Aus diesem Grund finden die Demos landesweit zumindest in Teilen an verschiedenen Wochentagen statt. Besonders offenkundig wird diese Art der Protest-Tournee an den Redner*innen- und Aktivenlisten im Land.
Organisatoren wie Robert FEUKER zeichnen für Veranstaltungen in Neubrandenburg als auch in Waren verantwortlich. Selbst in Berlin meldete er Coronademos an und übernahm organisatorische Aufgaben. FEUKER tritt als „Robert aus Neubrandenburg“ als Redner und Animateur in verschiedenen Städten des Landes in Erscheinung und motiviert die Teilnehmer*innen, es ihm gleich zu tun und für die „gemeinsame Sache“ herumzureisen. Hauptziel dieser Strategie ist es, die ohnehin aberwitzig hochgejazzten Zahlen der angeblich unzufriedenen Einwohner*innen an jeder Destination künstlich zu überhöhen und so eine Illusion der Mehrheit zu schaffen.
Wie schon im Artikel vom 13. Juli 2021 [LINK] dargestellt, gefällt sich Robert FEUKER in der Rolle des Anmelders, ruft zu Strafanzeigen gegen alles und jeden auf und bettelt um Spenden für seine nicht nachvollziehbaren Auslagen.

Den Nazi vor lauter Rechten nicht sehen

Neben den rechten Verwicklungen der Organisator*innen waren und sind Neonazis aus Neubrandenburg und dem Umland wiederholt bei den Demonstrationen in Neubrandenburg anzutreffen. So zum Beispiel Thimo HOPFINGER aus Hammer an der Uecker, der aus dem Umfeld der Neonazi-Kameradschaft Borken stammt. Der 22-Jährige erlangte indirekt große Aufmerksamkeit, weil er in einem Shirt, dessen Aufdruck Solidarität mit der Holocaust-Leugnerin Ursula HAVERBECK fordert, mit dem CDU-Rechtsaußenblinker Philip AMTHOR posierte. Trotz seines jungen Alters ist HOPFINGER bereits seit Jahren in der Neonaziszene aktiv, was sich über seine Teilnahme an Veranstaltungen wie den jährlichen geschichtsrevisionistischen Aufmärschen in Dresden und Demmin belegen lässt. HOPFINGER ist gut vernetzt, trainiert Kampfsport und erreicht seine Zielgruppe auf Instagram mit Hashtags wie #linksjugendumnieten.

Der Rechte neben dem Rechten ist Bundestagsabgeordneter der CDU Phillip AMTHOR. Links Thimo HOPFINGER.

An HOPFINGERS Seite sind auch immer wieder junge Neonazis aus Neubrandenburg zu sehen, darunter Lucas CONRADT, der zusammen mit seinen Freunden als Ordner für die Corona-Aufmärsche aufgefallen ist. Ferner stellte sich CONRADT zusammen mit anderen Rechten am 23.03.2019 als Schutz vor das damalige Thor-Steinar-Geschäft in Neubrandenburg als ein Bündnis gegen den Naziladen eine Kundgebung davor abhielt.

Lucas CONRADT (rechts) am 23.03.2019 vor der Tür des Thor-Steinar-Ladens in Neubrandenburg.

Ebenfalls aus Neubrandenburg und schon längst bekannt ist David PISKORSKI. Dieser versucht seit Jahren (http://aonb.blogsport.de/2012/09/28/beine-in-die-hand/) immer wieder erfolglos selbst eine funktionierende Neonazistruktur in Neubrandenburg aufzubauen. Er ist für seine eingeschränkten Verhältnisse ziemlich umtriebig und auch überregional auf diversen NPD und MVGIDA-Veranstaltungen und Demonstrationen sogenannter autonomer Nationalisten anzutreffen. Seit neustem engagiert er sich unter anderem beim M-V Ableger der thüringischen Kleinstpartei Neue Stärke (NS).

Einige weitere (Neo)nazis, die regelmäßig auch die Coronaproteste in Neubrandenburg besuchen, wurden bereits in einem Artikel auf Indymedia benannt.
Hier der LINK dazu.

Auch die Reichsbürger*innen der Penzliner Runde nahmen regelmäßig an den Aufmärschen teil.
Ronald BACHMANN und Olaf SCHÜLER stellten sich 2019 zur Kommunalwahl auf – schon ein seltsames Verhalten für staats- und systemfeindliche Reichsbürger*innen, erklären sie doch sonst vehement den demokratischen Staat und dessen Institutionen als illegitim und berufen sich auf die Ordnung des Deutschen Reichs. Neben den beiden Köpfen der Penzliner Runde Ronald BACHMANN und Olaf SCHÜLER waren weitere bekannte Gesichter der Reichsbürger zugegen, wie zum Beispiel Wulkenziner Werbe-Fritze Michael KUBATZKI (in unserem Artikel vom 13.Juli bereits erwähnt).
Das Netzwerk der Penzliner Runde musste mehrmals seine Treffpunkte wechseln – unter anderem weil die Treffen und deren Inhalte für die diversen Gaststätten (Kiosk2000 am Reitbahnsee Neubrandenburg, Restaurant Sandkrug Neubrandenburg, Buddelscheune Penzlin, Burgrestaurant Penzlin, Hotel St. Georg Neubrandenburg, Storchennest Ankershagen) anscheinend nicht dauerhaft tragbar waren. Aktuell treffen sich die Reichsbürger*innen im Gemeindezentrum Wulkenzin.
Die umtriebigen Reichsbürger*innen organisieren sich „reichsweit“ unter den Labeln Vaterländischer Hilfsdienst (VHD), Bismarcks Erben, Preußisches Institut und Ewiger Bund. Dabei geht es nicht etwa um voneinander unabhängige Reichsbürgerorganisationen, sondern um ein bundesweites Netzwerk, welches maßgeblich von den hier ansässigen Reichsbürgern geführt und verwaltet wird. Das Netzwerk verzeichnete seit seiner Gründung 2018 laut Verfassungsschutz bundesweit starken Zulauf.

Zusammenfassung

Anders als beispielsweise in Wolgast, wo große Teile des Organisationsteams unmittelbar aus klassischen Neonazi-Zusammenhängen stammen, ist es in Neubrandenburg eine braunbunte Mischung aus alten und neuen Neonazis, wirren Verschwörungsideologen, AfD- Kadern und geltungssüchtigen Gescheiterten, die rechtes Gedankengut verbreiten und diesem immer wieder eine Plattform bieten. Es gibt keinerlei Berührungsängste mit der rechten Szene und die Illusion, gemeinsam im Widerstand zu sein, hat die Anbindung der Coronaproteste an die organisierte rechte Szene enorm begünstigt.

Dennoch ist es nicht so, dass eine immer häufiger zitierte „Unterwanderung“ durch rechte Kräfte stattfände. Vielmehr wurde die Organisation des Coronaprotest in Neubrandenburg von Anfang an von diesen aktiv initiiert und mitgestaltet und der politische Hintergrund keineswegs verschleiert. Alle Mitinitiator*innen wissen genau um die Verfasstheit ihrer Mitstreiter*innen, oft genug versorgte man sich gegenseitig in den entsprechenden Gruppen mit rechter Propaganda. Von einer Unterwanderung kann bei einer so offensichtlich rechten Personaldecke und den geteilten Inhalten nicht die Rede sein. Auch die gebetsmühlenartig vorgetragenen landläufigen Distanzierungen von „Extremisten“ sollten über diese Fakten nicht hinwegtäuschen.
Zweifellos setzt sich die Teilnehmer*innenschaft aus verschiedenen politischen und gesellschaftlichen Gruppen zusammen, jedoch bleibt eine Kritik an dem offensichtlich rechtsradikalen Organisator*innen bisher völlig aus. Neben den benannten rechten Orgastrukturen trägt auch ein breites Unterstützer*innennetzwerk sowie der unkritische Umgang der lokalen Presse zum „Erfolg“ der rechten Ideolog*innen und Verschwörungsfantast*innen bei. Die Supporter*innen und Lokaljournalist*innen, die sich selbst vielleicht gar nicht der strammen Rechten zuordnen würden, identifizieren sich oder sympathisieren zumindest mit den Nazis.
Aufgrund der Bedeutung dieser Unterstützung für das Gelingen der „Protestbewegung“ sollen in einem kommenden Artikel diese Unterstützungs-Strukturen und Verknüpfungen genauer beleuchtet werden.

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