Neue Stärke – alte Bekannte

NSP – aktiv in Neubrandenburg

 
In den vergangenen Wochen ist in der Stadt Neubrandenburg vermehrt Neonazi-Propaganda in verschiedenen Stadtgebieten verteilt und verklebt worden. Dabei handelt es sich um unterschiedliche Materialien der Neue Stärke Partei (NSP), einer Kleinstpartei, die sich von der Kleinstpartei Dritter Weg abgespalten und im November 2021 in Erfurt gegründet hat. Weiterführendes hier: https://www.belltower.news/neue-neonazi-partei-neue-staerke-will-von-erfurt-aus-deutschland-erobern-124253/.
Die Partei Neue Stärke stellt mit der Abkürzung NS ganz bewusst einen Bezug zum Nationalsozialismus her und ist bisher hauptsächlich in Thüringen und Sachsen-Anhalt aufgetreten, wo sie augenscheinlich einen durchaus nennenswerten Zulauf verzeichnen konnte. 
 
 

 
Der Parteislogan „sportlich, aktivistisch, gemeinschaftlich“ und das stets uniformierte, kämpferische Auftreten sind Teil einer militanten Selbstinszenierung. 
 

Screenshot aus dem Telegramkanal der NSP

 
Zwar vermag die aus der Zeit gefallene Erscheinung und das extrem männlich aufgeblasene Auftreten von Neue Stärke zum Belächeln einladen, elementare Bestandteile der „Politik“ dieser „Partei“ sind jedoch die Androhung und der Einsatz von Gewalt und eine stumpfe nationalsozialistische Ideologie.
 
Zeit online: „Rechtsextremismus: Resterampe für heimatlose Neonazis“ Mitglieder eines Erfurter Neonazivereins haben eine rechtsextreme Partei gegründet. Ihre Kader sind politisch bedeutungslos – aber ideologisch gefestigt und gewaltbereit.            
Dort hat sich die Gruppe Neue Stärke vor allem durch brutale Übergriffe einen Namen gemacht, zuletzt im August 2020, als Mitglieder drei Männer aus Guinea verprügelten.
 
 
Neben der Effekthascherei durch uniformes und militantes Auftreten, ist das Ausrüsten der Anhänger vor Ort mit Material eine weitere Strategie der „Partei“, die angebliche Bewegung größer erscheinen zu lassen, als sie tatsächlich ist.
Nach eigenen Angaben werden die Ortsgruppen zudem mit Technik für Versammlungen und andere Veranstaltungen ausgestattet (Generator, Anlage, Pavillon, Partei-Stände, Transparente, Propagandamaterial).
 
Und Masse statt Klasse scheint nicht nur beim Material, sondern – mit Blick auf Mecklenburg-Vorpommern – auch beim Personal die Devise zu sein. 
 
Es verwundert kaum, dass in Mecklenburg-Vorpommern und speziell in Neubrandenburg einige schlichtere Gemüter der „aktivistischen“ Neonazi-Szene dieses Rundum-Sorglos-Nazi-Paket dankend annehmen. Viele von ihnen waren nach dem de facto Aufgeben des Vehikels NPD ohne aktuelle politische Heimatorganisation und bekommen nun das neue Label frei Haus. 
So hat sich dann am 29.01.2022 bei Facebook und Telegram ein regionaler Ableger der NSP mit folgendem Bild präsentiert. Neue Stärke Mecklenburg-Vorpommern (NSMV)
  

Im uniformierten Neue Stärke-Outfit zeigt sich der M-V-Ableger das erste Mal.

 
 
Und im Gegensatz zu den meisten bisherigen Gründungen von Kameradschaften und Kampforganisationen der Beteiligten, blieb es diesmal nicht allein bei einem reinen Internetauftritt und Social-Media-Aktivitäten.
 
Schon zuvor, am 22.01.2022 fuhren sie gemeinsam nach Magdeburg, um einen dort stattfindenden Neonazi-Aufmarsch anlässlich des Jahrestags der Bombardierung der Stadt 1945, der unter anderem von Neue Stärke beworben wurde, zu unterstützen.
 

Hier die vier Personen die auch schon auf dem NSMV Bild weiter oben zu sehen sind. Links in Zunfthose David PISKORSKI, rechts daneben mit Glatze Volker GIESSLER, mit Bauchtasche Christoph THEWS und rechts neben ihm Leon SCHUMANN. (Bild von Tim Mönch)

Volker GIESSLER in Magdeburg als Fahnenträger (Foto von Presseservice Rathenow)

David PISKORSKI am Transparent der „Neue Stärke Partei“ in Magdeburg (Foto von Presseservice Rathenow)

Mit Kaputze Leon SCHUMANN (Bild von Tim Mönch)

 

 
Am 13.02.2022 war ein Teil der Neue Stärke Mecklenburg-Vorpommern beim geschichtsrevisionistischen Neonaziaufmarsch in Dresden zu sehen. Im eigenen Block der NSP sind unter anderem David PISKORSKI, Leon SCHUMANN und Volker GIESSLER mitgelaufen.
 

Hier sind Leon SCHUMANN (rechts) und David PISKORSKI (2.v.r am Transpi) zu sehen, wie sie in Dresden das Transparent der Neue Stärke Partei tragen. (Foto von Tim Mönch)

 

Auch im Neue Stärke Partei Block mitgelaufen ist Volker GIESSLER (Glatze und Bart) aus Neubrandenburg. (Foto von Tim Mönch)

 
Mit der Ankunft des ersten Material-Paketes aus der Parteizentrale begannen dann erste Aktionen vor Ort in M-V.
So wurde in der zweiten Februarwoche eine größere Menge an A3-Plakaten, Stickern und Flyern in Neubrandenburg verklebt und verteilt. Spätestens bei der dilettantischen Dokumentation ihres Treibens via Instagram-Video auf Klarnamen-Accounts wird deutlich, wer sich hier hinter der „neuen“ Stärke verbirgt.
 
 
Das ein oder andere bekannte (und mittlerweile tätowierte) Gesicht taucht nun plötzlich aus der Versenkung wieder auf. Für die Propaganda-Aktionen in der Viertorestadt im Februar 2022 zeichnen die beiden Neubrandenburger Neonazis David PISKORSKI und Leon SCHUMANN verantwortlich. Zwar versäumten sie es nicht, sich für das Video wirkungsvoll mit NSMV-Fanartikeln zu vermummen, jedoch verpufft die Wirkung der Maskerade, da PISKORSKI das Video der Aktion unter seinem Klarnamen bei Instagram veröffentlichte.
 
PISKORSKI stammt aus einem stramm rechten  Elternhaus und ist, herangeführt durch seinen Vater Siegbert, seit mindestens zehn Jahren selbst in der rechten Szene aktiv.  Aufgefallen ist er jedoch vor allem mit seinen erfolglosen und in Sozialen Medien gut dokumentierten Bemühungen, im rechten Milieu Anschluss zu finden und in Neubrandenburg etwas auf die Beine zu stellen. Seine Aktionismusversuche, die Gründung eines „Autonom Böck“ (http://aonb.blogsport.de/2012/09/28/beine-in-die-hand/) und des „NS Neubrand-enburg“, lösten bei Beobachter*innen vor allem durch die stümperhafte Durchführung und die Erfolglosigkeit eher Fremdschamgefühle aus. Zumindest die Gefahr weiterer orthographischer Blamagen ist durch das vorgedruckte Propagandamaterial der neuen Mutterpartei gebannt.
 

Am 24.09.2016 hatte NS Neubrand-enburg den ersten und einzigen Auftritt bei einer Demonstration in Stralsund. Die Mitglieder waren auch anschließend weiter aktiv, jedoch offensichtlich ohne das peinliche Gruppenlabel. 2.v.l. PISKORSKI (Foto von Nils Borgwardt)

 
David PISKORSKI ist seit einigen Jahren auf diversen Neonazidemonstrationen in Mecklenburg-Vorpommern anzutreffen und reist auch zu überregionalen Events. Trotzdem schaffte er es nie, in relevanten Strukturen der Naziszene in M-V Fuß zu fassen.
 
 
Leon SCHUMANN, ursprünglich aus dem Raum Neustrelitz, ist ebenfalls seit längerer Zeit in der rechten Szene aktiv. Der junge Dachdecker lief unter anderem bereits am 01. Mai 2017 bei einem Aufmarsch der NPD in Stralsund mit. 
 

Leon SCHUMANN (weißes Shirt) am 01.05.2017 in Stralsund beim NPD Aufmarsch (Foto von Nils Borgwardt)

Inzwischen hat sich (wie zuvor PISKORSKI) auch Leon SCHUMANN dazu entschieden, seinem geistigen Tiefgang mit einem Gesichtstattoo Ausdruck zu verleihen. Hier zu sehen in Dresden am 13.02.2022. (Foto von Tim Mönch)

 
 
Christoph THEWS aus Waren an der Müritz hat sich in seiner langen Neonazikarriere schon durch diverse Neonazigruppen „gearbeitet“. Als eines der politischen Ziehkinder von Doris ZUTT (NPD) wurde er fest in die Warener NPD-Strukturen um das Haus in der Mozartstraße 8 eingebunden und  stellte sich zuletzt 2019 zusammen mit Doris ZUTT und seiner Frau Sylvia THEWS-KÄHLER für die NPD zur Wahl der Gemeindevertretung auf. Parallel zu seinen Funktionen in der lokalen Partei-Struktur war er auch immer zusammen mit seinen stets sehr jungen Weggefährten in den jeweiligen „autonomen“ Neonazi-Kleinstnetzwerken wie Kollektiv Seenplatte, Aktionskollektiv Nord-Ost, Müritzer Patrioten, Müritzfunken, Bürgerwehr Müritzwacht und einigen mehr in den letzten 10 Jahren federführend aktiv. Dabei handelt es sich um regionale Gruppen aus Waren an der Müritz und Umland, die sich alle paar Jahre auflösten und neu gründeten. Hinter den Strukturen stand immer das gleiche erbärmliche Häuflein der NPD aus Waren https://linksunten.indymedia.org/node/node/121601/index.html. THEWS war bei fast jeder NPD-Demo seit 2012 in Mecklenburg-Vorpommern dabei und trat bei den von der NPD organisierten MVGIDA Demonstrationen wiederholt als Ordner auf.
 
Seit einiger Zeit tritt auch THEWS mittlerweile jugendlicher Sohn auf Social Media Plattformen immer wieder mit Neonazi-Aktivitäten und ähnlich aufgeplustertem Gehabe wie sein Vater in Erscheinung. Angesichts seines familiären Umfelds vermag diese Entwicklung jedoch kaum zu überraschen. So posiert auch der Junior auf TikTok mit Neue Stärke-Merchandise, wettert gegen „Kinderschänder“ und ging zusammen mit seinen Eltern auf mehrere Demonstrationen.
 

Hier noch etwas jünger – Christoph THEWS aus Waren an der Müritz

 
 
Weniger bekannt als die anderen Kameraden ist bisher Volker GIESSLER. Der Oststädter ist hier erst mit Auftauchen der Neuen Stärke Partei und der Gründung des örtlichen Ablegers öffentlich in Erscheinung getreten. GIESSLER stammt ursprünglich aus dem südlichen Sachsen-Anhalt, ist jedoch bei der Neue Stärke M-V von Beginn an aktiv vertreten und besuchte mit seinen Kameraden“ aus der Seenplatte die erwähnten Demonstrationen in Magdeburg und Dresden.
 

Volker GIESSLER (NSP-Jacke und Bart) beim Trauermarsch in Dresden 2022 (Foto von Presseservice Rathenow)

 
 
Alle vier Genannten finden sich auch auf obigem Foto von Neue Stärke wieder, mit dem Werbung für den Nordost-Ableger gemacht wird. Die erwartbaren Aktivitäten der Gruppe zu bewerten ist im Moment noch schwierig. Vor allem bleibt abzuwarten, wie viele Abgehängte und Jungnazis sich der Partei anschließen und auf welche Resonanz weitere Propaganda-Aktionen treffen. Auch die Entwicklung auf Bundesebene wird wahrscheinlich Auswirkungen auf das Mobilisierungspotenzial und die Relevanz der Neue Stärke Partei in M-V haben. 
Zumindest die Dynamik und das Selbstbewusstsein sind in dieser Form neu. Denn bisher ging in den letzten Jahren insbesondere von THEWS und PISKORSKI recht wenig Strahlkraft in der rechten Szene aus. Ihr autonom-militantes Gehabe gepaart mit völliger Wirkungslosigkeit und ihre intellektuellen Einschränkungen machten sie selbst innerhalb der eigenen Szene eher zu Witzfiguren.
Andererseits könnte die Unterstützung der Neue Stärke Partei durch ihre wachsende Bekanntheit und Mobilisierungskraft auch tatsächlich kompetentere Leute anspülen. Trotzdem oder vielleicht gerade deswegen gilt, dass diese Neonazis durchaus gewalttätig sein können und die Rückendeckung der Partei gepaart mit Selbstüberschätzung ihr Gewaltpotenzial erhöhen. Jüngst teilten sie vielfach ein Outing in Sozialen Netzwerken, das sich gegen einen lokalen Aktivisten richtet, der sich gegen Rechts engagiert. Hier kann davon ausgegangen werden, dass Text, Foto und Hinweis von der NSMV selbst kamen.
 
Ein vielleicht nicht zu vernachlässigendes Moment für die Weiterentwicklung der NSMV könnte eine Demonstration sein, die bereits langfristig für den 05.03.2022 in Waren geplant ist. Spielte die Partei bei den ersten Erwähnungen der Demoplanung noch gar keine Rolle, wird nunmehr seit Kurzem für diese Demo mit dem Label von NSMV Reklame gemacht. Werbung der Mutterpartei NSP für die Demonstration bleibt bisher jedoch aus. 
 
Sehr allgemein wird verlautbart, dass diese an Freie Kräfte gerichtet sei und wahlweise für „Familie, Volk und Vaterland“ oder unter dem Titel „Alles für Volk Rasse und Nation“ stattfindet. Eingeladen werden alle,die unzufrieden sind mit dem was in diesen Land passiert„.  
 
Auch wenn das dilettantische Vorgehen die Gruppe sehr repressionsanfällig macht, ist es für Antifaschist*innen zwingend angezeigt, sich nicht auf den Staat oder die vermeintliche Dummheit oder Unfähigkeit der heimischen Neonaziszene zu verlassen und sich mit diesen Entwicklungen auseinanderzusetzen. Zusammenschlüsse sind aufzudecken und aktiv zu bekämpfen, bevor sie sich, so absurd es aufgrund ihrer Protagonist*innen auch scheinen mag, verfestigen können.
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