Corona-Demos in Neubrandenburg – Hier hilft man sich?!

Wie in dem Beitrag dieses Blogs vom 09. Februar 2022 angekündigt, wird nach den rechten, esoterischen und verwirrten Anmelder*innen und Organisator*innen der Neubrandenburger „Montagsspaziergänge“, nun auch das Unterstützer*innen-Netzwerk der unsäglichen Serie von Aufmärschen aufgezeigt. Im bereits erschienenen Beitrag wurde dargestellt, dass die Coronapandemie und die daraus folgenden Maßnahmen und Einschränkungen oder die Diskussionen um die Impfung nur zu einem Teil die eigentliche Motivation und Intention derer sind, die jeden Montag lärmend durch die Straßen ziehen. Dies zeigt zumindest der „harte Kern“ der „Bewegung“, indem die letzten verbliebenen Verwirrten trotz Aufhebung aller Maßnahmen, Beendigung der Impfforderungen und Auslaufen der Hot-Spot-Regelung weiterhin mit mehreren Dutzend Teilnehmer*innen ihre Umwelt belästigen. Heute zieht man eben mit Russlandfahnen, gegen hohe Spritpreise oder „an die Kinder denkend“ durch die Straßen. Hauptsache, man muss seine Umsturzphantasien gegen „die da oben“ nicht über Bord werfen. Trotz oder gerade wegen dieser Entwicklung mit Ansage ist es wichtig darauf zu schauen, wer den Querdenker*innen-, Schwurbler*innen- und Nazizusammenhängen mit Unterstützung, Infrastruktur und Multiplikation zur Seite steht, ohne direkt Teil der Anmelde- und Coregroup zu sein.

Hofberichterstatter Nordkurier

Der wohl am längsten währende und verlässlichste Support erfolgt seit Beginn der „Corona-Demos“ und bis heute durch die Neubrandenburger Lokalzeitung. Dass der Nordkurier durchgängig durch fragwürdige Berichterstattung auffällt, sollte für Menschen, die sich auch außerhalb von Telegram-Gruppen mit Lokalnachrichten und Presse beschäftigen, nichts Neues sein. Bereits am 20.05.2020 berichtete Tim PRAHLE im Lokalblatt von einer Gruppe in Sozialen Netzwerken, die sich gegen die Coronamaßnahmen in Stellung bringt und fragte, ob somit diese Bewegung nun auch in Neubrandenburg aktiv würde. Bessere Werbung hätte sich der klandestine Haufen nicht wünschen können und wo sie nun mal „gerufen“ wurden, traten sie auch auf den Plan. Von Beginn an entstand in der gesamten Berichterstattung des Nordkuriers zur Coronapandemie der Eindruck, dass sich das Blatt deutlich auf die Seite der Schwurbler*innen stellt. Teils mehrmals wöchentlich wurden Artikel zu den Demonstrationen der Corona-Maßnahmen-Gegner*innen veröffentlicht (vor allem durch den*die damalige*n Chefredakteur*in Jürgen MLADEK (Fußnote: Jürgen MLADEK wurde nach einer angeblich freiwilligen Auszeit und kurzer Rückkehr von seinem Verlag als Chefredakteur*in zu einem herz- und namenlosen Wirtschaftsblatt ins Badische versetzt) und die Textchefin Simone SCHAMANN). In den Texten wurden die Aufmärsche, deren Forderungen und Akteur*innen gänzlich unkritisch hofiert und schon früh als Bürger*innenbewegung stilisiert. Kein Wort zu den auf Falschinformationen basierenden Redebeiträgen. Kein Wort zu den kruden Verschwörungstheorien. Kein Wort zu den Umsturzfantasien, die offen kommuniziert wurden. Die  Querdenker*innen konnten sich der unprofessionellen solidarischen Unterstützung durch die Lokalpresse sicher sein. Selbst in Zeiten, als nur 15 Leute am Montag gegen die Corona-Maßnahmen demonstrieren wollten, fand man dies in der Redaktion des Nordkurier stets eine Meldung wert.

Der unreflektierte Schulterschluss mit den demokratiefeindlichen Bestrebungen (inklusive Bedrohungen und Angriffen, die aus den Demos heraus stattfanden sowie rechtsoffenen und antisemitischen Ausfällen) gipfelte u. a. in der Äußerung SCHAMANNs, Gegenprotest sei das Gefährlichste an den Coronademos (Zitat: „Mit anderen Worten: Eines der größten Risiken auf Querdenken-Demos ist, dass ganz normale Bürger von Linksradikalen angegriffen werden – weil diese sie für Nazis halten.“). Dieser und weitere journalistische Ausfälle sorgten für eine intensive Auseinandersetzung verschiedener Medien mit dem unprofessionellen und tendenziösen Gebaren des Nordkurier.

Für die Berichterstattung zum Thema Corona erhielt der Nordkurier im Juni 2021 drei Missbilligungen (https://jejaklein.net/?p=347) vom Presserat. Alle drei kritisierten Artikel waren von der Textchefin Simone SCHAMANN verfasst worden. Mittlerweile ist durch die mediale Auseinandersetzung genug Material zu dieser Thematik auffindbar – so z. B. hier (https://www.friedensdemowatch.com/2021/02/12/nordkurier-brachte-fake-news-zu-corona-protesten/) ein Beitrag dazu von Jeja KLEIN, weshalb an dieser Stelle nicht erneut die komplette Causa aufgerollt werden muss.

Die rechtsoffene Flanke des Nordkurier fiel in journalistischen Kreisen dermaßen negativ auf, dass das bundesweit erscheinende Magazin „Katapult“ mit überwältigender Unterstützung durch ein erfolgreiches kurzfristiges Crowdfunding einen Ableger gründete, um der lokalen einseitigen Berichterstattung ein Gegengewicht gegenüberzustellen.

SCHAMANN und MLADEK sind jedoch nicht die einzigen Probleme, die dem Nordkurier attestiert werden müssen. Auch Artikel von anderen Autor*innen sind sehr mit Vorsicht zu geniessen. So erschien am 06.02.2022 ein Artikel mit dem Titel „Blumen für Malchiner Klinik-Mitarbeiter bei Demonstration“ (https://www.nordkurier.de/mecklenburgische-schweiz/blumen-fuer-malchiner-klinik-mitarbeiter-bei-demonstration-0647022602.html) in der Regionalzeitung. Wieder einmal wird ein äußerst positives und selektives Bild von den Demonstrationen gezeichnet. Offensichtlich hat die Verfasserin weder recherchiert noch hinterfragt, über wen sie dort berichtet. Bei dem Mann, der im Artikel als „Ribnitzer Aktivist, der sich der „fliegende Otto“ nannte“ bezeichnet wird, handelt es sich um Daniel FUNKE aus Ribnitz. Er ist einer der führenden IB-Kader in Mecklenburg-Vorpommern und sollte Journalist*innen, die sich mit rechten Strukturen in Mecklenburg-Vorpommern auseinandersetzen, durchaus bekannt sein. Anderen Journalist*innen, die zum Thema Corona-Demos berichten wollen, wären solche Informationen durch klassische Recherche zugänglich – leider gehört diese banale journalistische Tätigkeit für viele Berichterstatter*innen beim Nordkurier nicht zum Handwerk.

Hier das Bild auf dem Daniel FUNKE im Nordkurier zu sehen ist.

Bis vor kurzem wurde Daniel FUNKE noch auf der Bundeshomepage der Identitären Bewegung als „Aktivist“ aufgeführt. (Screenshot IB-Homepage)

 

Dieser schlecht informierte Umgang mit der Berichterstattung über Veranstalter*innen der „Corona-Demos“ setzt sich auch in anderen Lokal-Redaktionen des Nordkurier fort.

In einem Artikel vom 03.04.2022 mit dem Titel „Corona-Demonstranten prangern hohe Lebensmittelpreise an“ (https://www.nordkurier.de/mecklenburgische-schweiz/corona-demonstranten-prangern-hohe-lebensmittelpreise-an-0347708204.html) sind auf dem Beitragsbild offensichtlich Neonazis zu sehen. So auch am 20.03.2022 https://www.nordkurier.de/mecklenburgische-schweiz/corona-kritiker-legen-malchins-buergermeister-ihre-argumente-vor-2047543303 sowie über mehrere Wochen in Torgelow
https://www.nordkurier.de/ueckermuende/torgelower-meldet-demo-offiziell-an-2147191302.html
https://www.nordkurier.de/ueckermuende/landkreis-droht-organisatoren-von-corona-demo-mit-strafen-1847167202.html
https://www.nordkurier.de/anklam/proteste-gegen-corona-politik-und-gegendemos-in-vorpommern-1447117002.html, wo junge Neonazis das Fronttransparent der lange unangemeldeten Aufmärsche trugen. Und das sind nur die völlig offensichtlichen Neonazis auf den vom Nordkurier selbst veröffentlichen Fotos. Eine selbst nur rudimantäre journalistische Beschäftigung mit den Strukturen der Demos in Mecklenburg-Vorpommern dürfte noch einiges mehr an Nazi-Beteiligung ans Licht bringen. Es scheint jedoch einfacher und lukrativer, billige, schlecht recherchierte Artikel für die Verschwörungscommunity zu schreiben und damit Klicks im Internet zu generieren, als sich ernsthaft mit der „Bewegung“ auseinanderzusetzen.

Nicht einmal, wenn der Nordkurier selbst Fotos von Neonazis macht, erkennt er sie auch als solche.

 

 

Schwurbel-Hauptquartier und Lauti-Technik

Apropos Hofberichterstatter: Die Nähe des Nordkurier zu den Querdenker*innen und Nazis zeigt sich neben allgemeiner unkritischer Berichterstattung über die Demos auch am Schmusekurs mit der Orga. So wird dann auch schon mal ein Meet&Great oder die eigene Homestory der Organisationsgruppe veröffentlicht. https://www.nordkurier.de/neubrandenburg/deshalb-gehen-die-menschen-montags-demonstrieren-1246685101.html. Kritische Nachfragen zu den Coronademonstrationen seitens des Journalisten sind auch hier Fehlanzeige. Vielmehr wird der Nordkurierreporter in das Büro der publiccom GmbH in die Große Wollweberstraße gebeten, um am dortigen Organisationstreffpunkt der Schwurbler*innen beim Stimmen auszählen live dabei zu sein. Die Ergebnisse des Aktes „direkter Demokratie“ nach Art der Coronaleugner*innen hatten übrigens keine wahrnehmbare Auswirkung auf Ausrichtung und Inhalte der Demonstrationen – auch darüber wurde im Nachhinein nicht weiter geschrieben. Der Geschäftsführer der publiccom GmbH Jörn BARTEL, unter anderem noch Vizepräsident des Neubrandenburger Schützenvereins „Vier Tore“ e.V., stellt der Coronaleugner*innenszene übrigens gern und regelmäßig seine Geschäftsräume für die Orga-Treffen der Demos zur Verfügung.

Homestory vom Nordkurier mit dem Organisationsteam in den Räumen der publiccom GmbH. v.l.n.r: Willi LEHMANN, Thomas DEHMELT, Robert FEUKER, Jörn BARTEL (Bild Nordkurier)

 

Publiccom ist nicht die einzige Firma, die die Demonstrationen in Neubrandenburg offen unterstützt. So stellt die RWN Projekt GmbH & Co. KG regelmäßig den zentralen Lautsprecherwagen bei den Demonstrationen. Zunächst wurde das Firmenlogo noch stümperhaft abgeklebt, inzwischen steht man scheinbar offen zu dem Support. Gefahren wird der Pritschenwagen montags von Bernd HERRMANN, einem der Geschäftsführer der RWN Projekt GmbH & Co. KG. Die Gesellschaft hat es sich zur Aufgabe gemacht, das Gelände des ehemaligen Reparaturwerkes Neubrandenburg (beste Seelage) zu einem vielfältigen Wohn-, Gewerbe-, Künstler*innen- und Szenequartier zu entwickeln.

Lauti sponsored by RWN Projekt

 

Einen Teil der Technik, mit der die Lautsprecherwagen ausgestattet werden, kommt von dem Kleinstunternehmen BVS (Benito’s Veranstaltungsservice) aus Neubrandenburg. Teilweise richtete er für die Demos einen eigenen Lauti-Anhänger mit DJ-Pult und Technik ein, um die Demo-Teilnehmer*innen zu unterhalten. Der Veranstaltungsservice von Benito EHRENBERG geriet unter anderem auch für eine illegale Party im Juni 2021 im Brodaer Holz in die Schlagzeilen. Jungen Leuten in der mecklenburgischen Provinz durch Technik und Know How Feiermöglichkeiten u. ä. zu erschließen, ist begrüßenswert. Dennoch müssen sich Supporter*innen wie Benito EHRENBERG bezüglich ihrer Unterstützung der rechtspopulistischen, verschwörungserzählenden und dubiosen Anti-Corona-Maßnahmen-Bewegung kritisch hinterfragen lassen. Es bleibt abzuwarten, in welchen politischen Kontexten EHRENBERG zukünftig auftaucht und wie die Party-Szene in MV mit solchen politisch fehlgezündeten Gestalten umgehen will.

 

Der König ist tot, es lebe der König ?!

Hinzu kommt, das bei der hier und in früheren Beiträgen skizzierten Zusammensetzung und Entwicklung der Verschwörungs- und Nazibewegung selbst Argumente der persönlichen Maßnahmenskepsis, Impfangst, Einschränkungskritik und ähnlicher kruder „Ausreden“ nicht länger greifen. Wie nicht nur für Neubrandenburg aufgezeigt wurde, waren die grundlegenden Motive der Demo-Organisator*innen von Beginn an nicht in der Pandemie und ihrer Folgen zu verorten, sondern gründeten sich eher aus umstürzlerischem Gebaren von PEGIDA-Erb*innen, Identitären und anderen schon länger aktiven Nazis. Jeglicher Support, jede Mitarbeit, Organisation und Teilnahme an den Demos ist die Fortführung der Tradition und der Umsturz-Fantasien von PEGIDA, Neonazi-Kameradschaften und Reichsbürger*innen in Mecklenburg-Vorpommern.

Das wird heute, da sich die „Bewegung“ nach Beendigung aller Maßnahmen Russlandfahnen umhängt und mit einiger Verzweiflung versucht, andere gesellschaftliche Themen zu vereinnahmen, wieder deutlich. Vorerst ist eher nicht zu erwarten, dass sie angesichts der diffusen und willkürlich scheinenden Themenwahl an ihre zahlenmäßigen Erfolge der vergangenen Wintermonate anschließen können. Die große Masse derer, die sich in der heißen Phase montags Lichterketten-behängt mit Kind und Kegel unkritisch in den Demozug eingereiht hatten, war wohl doch nicht wegen des angestrebten Systemsturzes da, sondern vielleicht nur, weil der Weihnachtsmarkt mal wieder ausfiel.

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